Deutschland braucht einen digitalen Ruck

Dorothee Bär ist Staatsministerin für Digitalisierung. Es ist gut, dass das Thema Digitalisierung prominenter in der Politik ankommt. Es wäre wünschenswert, wenn Sie an den grundlegenden Problemen in Deutschland etwas ändern könnte.

Wir haben eine Staatsministerin für Digitalisierung. Mit Dorothee Bär (übrigens auch aktiv auf Twitter unter @DoroBaer) ist es – nach den denkwürdigen #Neuland Debatten, ausgelöst durch Kanzlerin Merkel – endlich in der Politik angekommen, dass wir im digitalen Umfeld etwas ändern müssen. Doch ist der Zug nicht schon längst abgefahren?So scheint es – zumindest, wenn man Ralph Dommermuth aufmerksam zuhört. Der wohl berühmteste New-Economy Manager Deutschlands und Gründer von klangvollen Namen wie der United Internet AG (1&1, GMX) gibt der Politik ein gerüttelt Maß an Mitschuld dabei, wie wir die Entwicklung verschlafen haben. Er geht sogar soweit, dass wir den Vorsprung der USA nicht mehr aufholen können.

Und damit liegt er richtig – Unternehmen wie Google, Amazon und Apple wachsen nach Belieben. Sie haben eine simple Tatsache begriffen: Innovation bedeutet Wachstum. Und eben diese Innovation können wir Deutschen nicht im digitalen Umfeld. Wir haben sie nie gelernt. Große Teile unserer Industrie basieren auf soliden Entwicklungen im Maschinenbau. Made in Germany, quasi. Als Qualitätsmarke. Doch Qualität hat wenigmit Innovation zu tun.

Innovation heißt wörtlich „Neuerung“ oder „Erneuerung“. Das Wort ist vom lateinischen Verb innovare (erneuern) abgeleitet. In der Umgangssprache wird der Begriff im Sinne von neuen Ideen und Erfindungen und für deren wirtschaftliche Umsetzung verwendet. Im engeren Sinne resultieren Innovationen erst dann aus Ideen, wenn diese in neue Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren umgesetzt werden, die tatsächlich erfolgreiche Anwendung finden und den Markt durchdringen (Diffusion).[1] Das Gegenteil von Innovation ist die Exnovation.

Der obige Auszug stammt wieder aus der Wikipedia. Wichtig erscheint mir hier der Hinweis darauf, dass eine Innovation erst dann eine Innovation ist, wenn sie erfolgreich Anwendung findet und den Markt durchdringt, also erfolgreich ist. Es geht also nicht darum, nur Ideen zu haben – diese müssen auch umgesetzt werden und letzten Endes erfolgreich sein.

Und damit tun wir Deutschen uns traditionell schwer. Zumindest in der digitalen Welt. Während Amazon siebenstellige Änderungsraten auf seinem Einkaufsportal pro Jahr vorzuweisen hat (die Teams dort arbeiten permanent an der Verbesserung), schaut es bei deutschen Produkten häufig mau aus. Beispiel gefällig?

Während Tesla regelmäßige Aktualisierungen seiner Fahrzeuge vornimmt, haben wir es zumindest geschafft, selbsttätig (aber bitte nicht zu oft) unser Kartenmaterial der Navis bei Audi aktualisieren zu können. Oder ein anderes Beispiel: Der Marktführer für E-Bikes in Deutschland (Motoren usw.) ist Bosch. Die Firma bietet ein sündhaft teures Bordcomputersystem an. Wenn man Glück hat, bekommt man ein Mal im Jahr Updates dafür mit neuen Funktionen – oder auch nicht. Und über Kartenupdates wollen wir gar nicht reden.

Dies kann man auch gut auf Unternehmen übertragen. Viel zu häufig erscheint es, als würden wir bei Entscheidungen, die zu Innovationen führen könnten, eine Entscheidung als irreversibel sehen. Dabei ist fast jede Entscheidung eine Tür – man kann durchgehen. Gefällt einem die Tapete im Raum dahinter nicht, dann geht man halt wieder zurück und nutzt eine andere Tür.

Unternehmen wie Amazon, Apple und Google haben das längst begriffen. Sie probieren aus, testen Türen. Wenn es nicht passt, wird die Tür entsorgt und die Nächste aufgesperrt. Bei uns heißt es:

  • Ist dieses Vorgehen mit dem Management abgestimmt?
  • Ist das überhaupt mit dem Betriebsrat vereinbart?
  • Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?
  • Wie viel kostet es?
  • Welche Risiken bestehen?

Jede dieser Fragen ist für sich genommen in Ordnung. In ihrer Summe führen Sie aber dazu, dass mögliche Innovationen schon im Kern nicht stattfinden, weil wir zu sehr mit dem Erkennen möglicher Probleme beschäftigt sind.

Die Ursachen gehen allerdings noch tiefer. Innovativ zu sein heißt auch, eine hohe Schlagzahl ab Versuchen zu haben, Dinge auszuprobieren. Und die Art und Weise der Projektdurchführung in vielen deutschen Unternehmen verhindert diese Schlagkraft. Während AWS mit so genannten ‚zwei-Pizza-Teams‘ arbeitet (Also Teams, die alle relevanten Entscheider mit an Bord haben und maximal so viele Personen haben wie es nötig ist, um zwei Pizzen zu essen), finden häufig Meetings in deutschen Firmen statt, die ohne Sinn und Verstand Zeit und Sauerstoff vernichten – weil die relevanten Personen nicht am Tisch sitzen.

Weiter geht es mit den Grundlagen für digitale Innovationen. Und das ist in erster Linie die Anbindung der Nutzer und Diensteanbieter untereinander. Den Breitbandausbau haben wir grandios verschlafen.

Man mag Dorothee Bär alles Glück dieser Welt wünschen. Dies wird sie brauchen. Wenn ihre Rolle dazu beiträgt, Regelungen abzuschmelzen, welche Unternehmen daran hindern, innovativ zu sein, dann wäre schon viel gewonnen. Alle Schauplätze kann sie nicht gewinnen. Aber sie kann damit anfangen.

Und tröstlich ist auf jeden Fall, dass – gerade in der Informationstechnologie – das non-plus-ultra von heute morgen schon unbeachtet in einer Ecke liegen kann. Wir können morgen allerdings nur mitspielen und gestalten, wenn wir mehr probieren dürfen. Ohne Angst und mit weniger Bedenken. Die Alternative wäre, im digitalen Bereich die großen Innovationen der Zukunft aus Amerika zu importieren. So wie heute.

Autor: Der IT Camper

Klare Kante. Kein Bullshit-Bingo. Content zu Themen rund um Gesellschaft und Informationstechnologie. Creator. Blog, Podcast und Vlog.

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